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Ernst Meumann war ein experimenteller Pädagoge, der unter anderem eine Professur (1897–1900) an der Philosophischen Fakultät der Universität in Zürich innehielt (UAZ, Historische Vorlesungsverzeichnisse Universität Zürich). Die Pädagogik wurde von Meumann als eine empirische Wissenschaft betrachtet, und er setzte sich für die Errichtung pädagogischer Lehrstühle an Universitäten ein, da er seine Hauptaufgabe in der empirischen Fundierung der Pädagogik sah.
Ernst Meumann war ein experimenteller Pädagoge, der unter anderem eine Professur (1897-1900) an der Philosophischen Fakultät der Universität in Zürich innehielt (UAZ, Historische Vorlesungsverzeichnisse Universität Zürich). Die Pädagogik wurde von Meumann als eine empirische Wissenschaft betrachtet, und er setzte sich für die Errichtung pädagogischer Lehrstühle an Universitäten ein, da er seine Hauptaufgabe in der empirischen Fundierung der Pädagogik sah.
Als Sohn eines protestantischen Pfarrers, wurde Ernst Meumann am 29.8.1862 in Ürdingen (Deutschland) geboren. Nach schulischer Unterrichtung bei seinem Vater besuchte er eine Internatsschule in Gütersloh und Wuppertal-Elberfeld. 1883 schloss Meumann das Abitur ab. Er absolvierte ein Studium in Ästhetik, Kunstgeschichte, Theologie (1887: Kandidatenexamen, Oberlehrerexamen 1889 in Religion und Hebräisch), Geschichte und Philosophie (Promotion im Jahr 1890 in Tübingen) in Deutschland. Durch sein Studium der Theologie kam Meumann durch einen sechswöchigen Kurs im Lehrerseminar Neuwied zum ersten Mal mit der Pädagogik in Kontakt. Während seines Studiums (1892/1893 bis 1897) wurde er, zusammen mit Oswald Külpe, Privatassistent von Wilhelm Wundt, der ihn während seiner weiteren akademischen Laufbahn unterstützte und mit dem Meumann noch lange persönlichen Kontakt hatte. 1894 habilitierte Meumann zum Thema „Untersuchungen zur Psychologie und Ästhetik des Rhythmus“, seine Probevorlesung befasste sich mit der „Empirischen und experimentellen Ästhetik, das Verhältnis ihrer Aufgaben“ (Probst 2014, S. 19f; Rüegsegger 1986, S. 38).
Nach Meumanns Assistenzzeit bei Wundt (Müller, 1942, S. 14) wurde er 1897 an die Universität Zürich als Nachfolger von Richard Avenarius (1843-1896) berufen, zunächst als ausserordentlicher Professor, ab 1900 dann als ordentlicher Professor für Systematische Philosophie, als Nachfolger von Andreas Ludwig Kym (StAZH MM 3.13 RRB 1899/2487). Mit seiner Berufung brachte Meumann die Forschung rund um die experimentelle Pädagogik an die Universität Zürich (Rüegsegger 1986, S. 35).
Meumann wurde mit dem Lehrauftrag der systematischen Philosophie, der Geschichte der Philosophie und der allgemeinen Pädagogik an die Universität Zürich berufen, jedoch widmete er sich der experimentellen Psychologie und Pädagogik. Seine Antrittsvorlesung galt dem Thema „Beziehungen zwischen experimenteller Psychologie und Pädagogik“ (Probst 1991, S. 19). Als Nachfolger von Kym sollte er die Geschichte der antiken und mittelalterlichen Philosophie, Religionsphilosophie und Metaphysik lehren (StAZH MM 3.13 RRB, 1899). Doch Meumanns Hauptinteressen waren die Anwendung der Experimente und der systematischen Beobachtung insbesondere auf die Handlungen der Pädagogik und Ästhetik. Die Foki lagen bei der Frage der Ermüdung und der Entwicklung der kindlichen Sprache (Müller 1942, S. 20). In Zürich richtete er aus eigenen Mitteln ein Laboratorium für experimentelle Pädagogik ein (Schlager 1916, S. 348). In diesem untersuchte er die psychologischen Lernprozesse an Schulkindern aus Zürich. Bis 1914 herrschte immenser Platzmangel an der Universität Zürich, da sie sich ein Gebäude mit dem Polytechnikum (ab 1911 Eidgenössische Technische Hochschule) teilen musste. Für die Neuerrichtung der Räume für ein neues Institut war nicht genug Geld vorhanden. Aus diesem Grund hat sich Meumann seine Apparaturen „aus eigenen Mitteln und auf eigene Verantwortung angeschafft“ (Müller 1942, S. 16). Da diese Apparaturen irgendwo untergebracht werden mussten, stellte die Universität Meumann einen Raum zur Verfügung, der den Anfang des Psychologischen Institutes in Zürich darstellte.
Am 15. Juli 1905 bat Meumann um seine Entlassung, um seiner Berufung an die Universität in Königsberg zu folgen. Dem Gesuch wurde per 30. September 1905 entsprochen (StAZH MM 3.19 RRB 1905/1210, 1905). Nach seiner Lehrtätigkeit an der Universität Zürich kam Meumann infolgedessen nach Königsberg (Müller 1942, S. 33; Rüegsegger 1986, S. 42). Als Nachfolger für die vakante Stelle an der Universität Zürich wurden Friedrich Schumann und Gottlob Friedrich Lipps vorgeschlagen. Schumann wurde Lipps vorgezogen, da Lipps weniger akademische Erfahrungen als Lehrer vorzuweisen hatte und weil Lipps sich nicht auf die experimentelle Pädagogik fokussierte (StAZH MM 3.19 RRB 1905/1473). Meumann verliess 1909 die Universität in Königsberg und zog nach Münster. Nach Münster wechselte er 1910 nach Leipzig, wo er dank eines grosszügigen Kredits das philosophisch-pädagogische Seminar zu einer kinderpsychologischen und experimentell-pädagogischen Abteilung umfunktionieren konnte. 1911 zog Meumann nach Hamburg, wo er bis zu seinem Tod blieb. Stern, der nach Meumanns Tod das Institut für Jugendkunde, zuvor als Psychologisches Institut unter Meumanns Leitung, übernahm, knüpfte nicht an die experimentelle Pädagogik an, sondern verfolgte das Konzept der Jugendkunde (Hopf 2004, S. 150).
Ernst Meumanns drei Monografien zeigen seine Konzepte und Forschungsergebnisse. Das erste Werk waren die Vorlesungen zur Einführung in die Experimentelle Pädagogik und ihre psychologischen Grundlagen, erschienen im Jahr 1907. 1908 folgte die zweite Monografie Ökonomie und Technik des Gedächtnisses. Zuletzt veröffentlichte er, ebenfalls im Jahr 1908, das Werk Intelligenz und Wille. Darin thematisierte er Ansätze der heutigen Motivationspsychologie (Probst 2014, S. 33).
Die Bedeutung seiner Werke zeigt sich an der Anzahl Übersetzungen in andere Sprachen. Am meisten wurde er in Osteuropa übersetzt, „nämlich Russland und die spätere Sowjetunion der 1920er-Jahre sowie die baltischen Staaten Lettland und Estland […]“ (Probst 2014, S. 34). Des Weiteren wurden Meumanns Monografien unter anderem in Spanien, Argentinien und Portugal übersetzt (ebd.).
Ernst Meumann war zusammen mit August Lay Gründer und Herausgeber der Zeitschrift Experimentelle Pädagogik (1905-1907) (Probst 2014, S. 34). Zudem war Meumann von 1911 bis 1915 Herausgeber der Zeitschrift für Pädagogische Psychologie und Experimentelle Pädagogik sowie des Archivs für die Gesamte Psychologie (1903-1915). Somit konnte Meumann die „interdisziplinäre Verbreitung der Pädagogischen Psychologie und Empirischen Pädagogik wirksam [zu] fördern“ (Probst 2014, S. 45).
Nach Kriegsbeginn wurde Meumann ein Anhänger des Nationalismus. Er starb am 26. April 1915 in Hamburg an den Folgen einer Rippenfellentzündung sowie einer Lungenentzündung.
Als Extraordinarius
Semester |
Veranstaltung |
WS 1897 |
Psychologie |
WS 1897 |
Allgemeine Pädagogik |
SS 1898 |
Logik und Erkenntnistheorie |
SS 1898 |
Einführungskursus zur experimentellen Psychologie und Pädagogik |
SS 1898 |
Grundprobleme der Ästhetik |
SS 1898 |
Kritische Einführung in die systematische Pädagogik der Gegenwart |
WS 1898 |
Geschichte der Philosophie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts |
WS 1898 |
Psychologie auf experimenteller Grundlage |
WS 1898 |
Philosophische Übungen im Anschluss an die Lektüre von Hume's Traktat über die menschliche Natur |
WS 1898 |
Praktischer Kursus in der experimentellen Psychologie |
SS 1899 |
Pestalozzis Begründung der systematischen Pädagogik |
SS 1899 |
Geschichte der neuern Philosophie bis Kant |
SS 1899 |
Experimentell-psychologisches Praktikum |
WS 1899 |
Einleitung in die Philosophie |
WS 1899 |
Psychologie des Gedächtnisses, der Gemütsbewegungen und des Willens |
WS 1899 |
Laboratorium für experimentelle Psychologie |
WS 1899 |
Allgemeine Pädagogik |
Als Ordinarius
SS 1900 |
Erkenntnistheorie mit einem Abriss der Logik |
SS 1900 |
Experimentell-psychologisches Praktikum im psychologischen Laboratorium |
SS 1900 |
Geschichte der neueren Philosophie von Kant bis zur Gegenwart |
SS 1900 |
Philosophisches Seminar: Philosophische Übungen über Lotzes Metaphysik mit Anleitung zu schriftlichen Arbeiten |
1899 | Gineff, Dimitri | Prüfung der Methoden zur Messung geistiger Ermüdung |
1899 | Rzesnitzek, Emil | Zur Frage der psychischen Entwickelung der Kindersprache |
1900 | Mazarakis, Anthimos | Die Platonische Pädagogik systematisch und kritisch dargestellt |
1902 | Frei, Wilhelm | Landerziehungsheime. Darstellung und Kritik einer modernen Reformschule |
1903 | Pentschew, Christo | Untersuchungen zur Oekonomie und Technik des Lernens |
1903 | Awramoff, Dobri | Arbeit und Rhythmus. Einfluss des Rhytmus auf die Quantität geistiger und körperlicher Arbeit |
1903 | Idelberger, Heinrich Anton | Hauptprobleme der kindlichen Sprachentwicklung nach eigener Beobachtung behandelt |
1903 | Magneff, Nikolaus | Die Bedingungen des Behaltens |
1903 | Mayer, August | Über Einzel- und Gesamtleistung des Schulkindes. Ein Beitrag zur experimentellen Pädagogik |
1903 | Messmer, Oskar | Zur Psychologie des Lesens bei Kindern und Erwachsenen |
1903 | Orth, Johannes | Gefühl und Bewusstseinslage. Eine kritisch-exp. Studie |
1903 | Reitz, Heinrich | Zur Geschichte und Theorie des Anschauungsbegriffs |
1903 | Walker, Walther | Die neuesten Bestrebungen und Erfahrungen auf dem Gebiete der Erziehung der Schwachen |
1904 | Kelchner, Mathilde | Untersuchungen über das Wesen des Gefühls mittels der Ausdrucksmethode |
1904 | Schmidt, Friedrich | Experimentelle Untersuchungen über die Hausaufgaben des Schulkindes. Ein Beitrag zur experimentellen Pädagogik |
1904 | Ebert, Ernst | Über einige Grundfragen der Psychologie der Übungsphänomene |
1904 | Käser, Hermann | Der associative Faktor im ästhetischen Eindruck |
1905 | Engelsperger, Alfons | Beiträge zur Kenntnis der physischen und psychischen Natur des Sechsjährigen in die Schule eintretenden Kindes |
1905 | Radossawljewitsch, Paul R. | Das Fortschreiten des Vergessens mit der Zeit |
1905 | Ziegler, Otto | Weitere Beiträge zur Kenntnis der physischen und psychischen Natur des sechsjährigen in die Schule eintretenden Kindes |
1906 | Hoesch-Ernst, Lucy | Anthropologisch-psychologische Untersuchungen an Züricher Schulkindern |
1906 | Winteler, Jakob | Experimentelle Beiträge zu einer Begabungslehre |
1906 | Segal, Jakob | Über die Wohlgefälligkeit einfacher räumlicher Formen |
1911 | Schoenenberger, Hans | Psychologie und Pädagogik des Gedächtnisses. Eine kritische Gesamtdarstellung der experimentellen Erforschung der Gedächtnisfunktionen und ihrer pädagogischen Bedeutung |
Vgl. Dissertationsdatenbank 1899-1955 |
Hopf, C. (2004). Die Experimentelle Pädagogik. Bad Heilbrunn/Obb.: Julius Klinkhardt
Müller, P. (1942). Ernst Meumann als Begründer der experimentellen Pädagogik. Bazenheid: Kalberer.
Probst, P. (1991). Bibliographie Ernst Meumann: mit einer Einleitung zur Biographie. Herzberg: Bautz.
Probst, P. (2014). Ernst Meumann als Wegbereiter der Pädagogischen Psychologie und Empirischen Pädagogik in Deutschland. In M. Spiess (Hrsg.), 100 Jahre akademische Psychologie in Hamburg. Eine Festschrift (S. 15-85). Hamburg: University Press
Rüegsegger, R. (1986). Die Geschichte der angewandten Psychologie (1900-1940). Bern: Huber.
Schlager, P. (1916). Meumann, sein Leben und sein Werk. Monatshefte für Deutsche Sprache und Pädagogik. Vol.17.
UZH Archiv (UAZ)
Historische Vorlesungsverzeichnisse der Universität Zürich 1833-1900. Zugriff am 11.01.2018 unter http://www.histvv.uzh.ch/
Staatsarchiv Zürich (StAZH)
MM 3.13 RRB 1899/2487, Regierungsratsbeschluss (1899), S. 808-809.
MM 3.19 RRB 1905/1210, Regierungsratsbeschluss (1905), S. 438.
Raffaela de Vries
1900