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Pädagogik wurde seit der Gründung der Universität Zürich im Jahr 1833 als Bestandteil der Philosophie gelehrt. Die erste Vorlesung des Faches hielt Eduard Bobrik (1802–1870), Inhaber eines Lehrstuhls für Philosophie. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm das Lehrangebot im Fach Pädagogik markant zu und spezifizierte sich. Dies stand in direktem Zusammenhang mit der Einführung der akademischen Lehrerinnen- und Lehrerbildung an der Universität Zürich. Nebst der Ausbildung eines immer differenzierteren Angebots in Pädagogik erweiterte sich auch das Feld der Dozenten. Die philosophischen Professoren der Universität Zürich erfuhren durch Privatdozenten Unterstützung, um die notwendige regelmässige Durchführung der Lehrveranstaltungen im Rahmen der Lehrerinnen- und Lehrerbildung gewährleisten zu können.
Mit der Universitätsgründung 1833 begann auch die Geschichte der Pädagogik an der Universität Zürich. Pädagogik wurde als Teil der Philosophie vom Lehrstuhlinhaber der Philosophie gelehrt und gehörte zu den seit Anfang gelehrten Fächern an der Universität Zürich. Anhand der Vorlesungsverzeichnisse, welche seit der Universitätsgründung 1833 archiviert wurden, lässt sich die frühe Geschichte des Faches rekonstruieren. Eduard Bobrik (1802–1870) hielt als Lehrstuhlinhaber der Philosophie im Wintersemester 1833/34 die erste Vorlesung in Pädagogik ab. Noch in den 1830er-Jahren haben auch Johannes Schulthess („Entwurf eines pädagogischen Katechismus für die Volksschulen“), August Wilhelm Winkelmann („Ueber die Erziehung bei den antiken Völkern“) und Johann Kaspar von Orelli („Pädagogik der Alten, nach Niemeyer's Chrestomathie, frei behandelt“) Vorlesungen in Pädagogik angekündigt. Während Schulthess und Winkelmann ihre Veranstaltungen nicht durchgeführt haben, erhalten wir dank dem schriftlich überlieferten Vorlesungskonzept Orellis einen detaillierten Einblick in die Inhalte und Praktiken einer Lehrveranstaltung in Pädagogik der 1830er-Jahre. Bobrik war dagegen während der ersten zwei Dekaden der Universität Zürich der einzige Professor mit einem regelmässigen Lehrangebot in Pädagogik. Nach einigen losen Durchführungen dieser Lehrveranstaltung (in den Jahren 1833/34, 1836/37, 1838/39, 1841/42) bot Bobrik zwischen 1845 und 1856 selbige Vorlesung in jährlichem Rhythmus an (einzige Ausnahme bildete das Jahr 1847) (vgl. Abb. 3).
Nebst der Pädagogik lehrte Bobrik auch im Gebiet der Psychologie: Von 1833 bis 1856 war er Ordinarius der Lehrveranstaltung „Psychologie [allgemein]“, die in den ersten 11 Jahren in halbjährlichem, in den folgenden 12 Jahren in jährlichem Rhythmus abgehalten wurde. Diese Regelmässigkeit – die in der Pädagogik noch nicht Tatsache war – verdeutlicht die Ausrichtung des philosophischen Lehrstuhls im 19. Jahrhundert, welche die Philosophie und Psychologie „in den Vordergrund rückte“ (Criblez, 2011, S. 47).
Während Bobrik zwischen 1840 und 1857 gewissermassen eine „Monopolstellung“ in der Lehre der Pädagogik zukam, vergrösserte sich in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts die Anzahl lehrender Professoren und Dozenten, wie folgende Abbildung (Abb. 1) veranschaulicht.
Abb. 1 Anzahl Professoren mit Lehrangebot Pädagogik im 19. Jahrhundert (Quellen: Historische Vorlesungsverzeichnisse der Universität Zürich 1833–1900; Jahresberichte der Universität Zürich 1833-1900)
Die steigende Anzahl an Lehrenden widerspiegelt die quantitative und qualitative Ausdehnung der Lehrinhalte der Pädagogik im 19. Jahrhundert (vgl. Abb. 2). Stellvertretend für diese Entwicklung sind Daniel Fehr (1819–1881), Richard Avenarius (1843–1896) und Otto Hunziker (1841–1909) zu nennen. Sie lehrten rund 20 Jahre lang Pädagogik an Lehrstühlen für Philosophie der Universität Zürich. Es ist u.a. ihrem Engagement zu verdanken, dass sich die Anzahl Lehrveranstaltungen in Pädagogik multiplizierte und sich die einzelnen Kurse zusehends auf spezifische Lehrinhalte fokussieren konnten. Vorlesungen in „Allgemeiner Pädagogik“ gehörten nach wie vor zum Angebot; Veranstaltungen, die sich spezifischen Zeitspannen oder philosophisch-pädagogischen Theorien widmeten, übernahmen nun jedoch Überhand.
Zwischen 1880 und 1900 geriet erstmals auch das Volksschulwesen ins Interesse und fand Einlass in die Themenbandbreite der Lehrveranstaltungen. Federführende Persönlichkeit dieser Entwicklung war Otto Hunziker, von 1979 bis 1900 an der Universität Zürich lehrend. In seinen unzähligen pädagogischen Vorlesungen – deren 41 sind anhand der archivierten Vorlesungsverzeichnisse auszumachen – beleuchtete er u.a. das Volksschulwesen in der Schweiz und international und berief sich dabei, im Gegensatz zu einer rein philosophisch orientierten Pädagogik, auf empirisch erhobene Daten. Beispiel dafür ist die Lehrveranstaltung „Schweizerisches Volksschulwesen (mit Zugrundelegung der schweizerischen Unterrichtsstatistik 1894/95)“.
In den letzten 3 Jahren des 19. Jahrhunderts erwachte durch Ernst Meumann (1862–1915) eine neue psychologisch/pädagogische Strömung – die experimentelle Psychologie resp. die experimentelle Pädagogik – die im darauffolgenden Jahrhundert seine Wirkung erst noch entfalten sollte.
Abb. 2 Anzahl angekündigter Vorlesungen in Pädagogik im 19. Jahrhundert (Quelle: Historische Vorlesungsverzeichnisse der Universität Zürich 1833–1900)
Charakteristisch für die Pädagogik des 19. Jahrhunderts ist die Zugehörigkeit des Faches zum Lehrstuhl für Philosophie. Für die Vermittlung pädagogischer Themen waren daher die Inhaber der philosophischen Lehrstühle zuständig. Viele unter ihnen übten – ganz der Orientierung der Philosophischen Fakultät entsprechend – eine gleichzeitige Lehrfunktion in Pädagogik und Psychologie aus (vgl. Abb. 3).
Im Verlauf der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden vermehrt Privatdozenten (u.a. Daniel Fehr, Otto Hunziker und Ludwig Stein) für die Lehre in Pädagogik hinzugezogen, die nicht zwingend studierte Philosophen waren, jedoch die formalen Anforderungen für eine Professur sowie die nötigen Kenntnisse des Zürcher Bildungssystems besassen. Damit zielte die Universität auf Kontinuität in der Vermittlung der Lehrinhalte der akademischen Lehrerbildung und entlastete gleichzeitig die Ordinarien. In vielen Fällen und auf politischen Druck hin wurden die Privatdozenten nach einiger Zeit zu ausserordentlichen Professoren (sogenannte Extraordinarien) berufen. Im Gegensatz zu den Lehrstuhlinhabern der Philosophischen Fakultät, die zumeist deutscher Herkunft waren, waren die Privatdozenten resp. beförderte Extraordinarien ohne Ausnahme Schweizer (Criblez, 2011).
Name Professor/Dozent |
Studien |
Lehre in Pädagogik an der UZH |
Lehre in Psychologie an der UZH |
Bobrik, Eduard (1802-1870)
|
Philosophie |
1833-1856 |
1833-1856
|
Schulthess, Johannes (1763-1836)
|
|
1834 |
- |
Orelli, Johann Kaspar von (1787-1849)
|
Theologie |
1836 |
- |
Winkelmann, August Wilhelm (1810-1875)
|
Klassische Philologie
|
1839 |
- |
Köchly, Hermann (1815-1876)
|
Altphilologie |
1857, 1862 |
- |
Fehr, Daniel (1819-1881) |
|
1858-1881 |
1850-1860 |
Jaeger, Otto Heinrich (1828-1912)
|
Philosophie, Philologie, Geschichtswissenschaft |
1861 |
- |
Schlecht, Leopold (1797-1866)
|
|
1865-1866 |
1865-1866 |
Kym, Andreas Ludwig (1822-1900)
|
Philosophie |
1863, 1864 |
1851-1899 (mit einzelnen Jahreslücken) |
Bursian, Conrad (1830-1883)
|
Philologie |
1864-1869 |
- |
Volkmar, Gustav (1809-1893)
|
Theologie, Philologie |
1868, 1869 |
- |
Uhlig, Gustav (1838-1914)
|
Philologie |
1867,1969-1871 |
- |
Biedermann, Alois Emanuel (1819-1885)
|
Theologie |
1870, 1871, 1883 |
1865, 1867, 1869 |
Lange, Friedrich Albert (1828-1875)
|
Theologie, Philosophie, Philologie |
1872 |
1870 |
Müller, Jakob (1847-1878)
|
|
1875 |
- |
Bösch, Melchior (1852-1910)
|
|
1895 |
- |
Avenarius, Richard (1843-1896)
|
Philosophie |
1877, 1879-1896 |
1877-1896 |
Hunziker, Otto (1841-1909)
|
Theologie, Geschichte, Philosophie |
1879-1900 |
- |
Stein, Ludwig (1859-1930)
|
Philosophie |
1886-1891 |
- |
Meumann, Ernst (1862-1915)
|
Theologie |
1897-1899 |
1897-1900 |
Abb. 3 Übersicht der Dozenten sowie ihrer Studien- und Lehrfächer (Quelle: Historische Vorlesungsverzeichnisse der Universität Zürich 1833–1900). Die Lehrjahre in Pädagogik und Psychologie an der UZH stützen sich ausschliesslich auf die in den Vorlesungsverzeichnissen angekündigten Lehrveranstaltungen.
Criblez, L. (2011). Eine Disziplin für unterschiedliche Professionsansprüche (1857-1949). In Hofstetter, R. & Schneuwly, B., Zur Geschichte der Erziehungswissenschaften in der Schweiz (S. 45–68). Bern: hep verlag ag.
Historische Vorlesungsverzeichnisse der Universität Zürich 1833-1900. Verfügbar unter http://www.histvv.uzh.ch.
Jahresberichte der Universität Zürich 1833-1900. Verfügbar unter https://www.archives-quickaccess.ch/stazh/jbuzh.
Nina Lutz
1833