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Der Mittelbau des Pädagogischen Instituts befand sich, in der Selbstdarstellung des Instituts, seit seiner Gründung in einer prekären Situation. Die Kritikpunkte waren die Folgenden: Die Arbeitsverträge waren auf drei Jahre befristet, durch den Einbezug in die Lehre wurde die Zeit für Qualifikationsarbeiten und Forschungstätigkeit eingeschränkt, konkurrierende Arbeitgeber konnten graduierten Pädagog/innen bessere Löhne anbieten und der Betreuungsaufwand nahm angesichts der steigenden Studierendenzahlen zu. In einem Ausschnitt aus dem Jahresbericht des Pädagogischen Instituts von 1980 fand Prof. Heinrich Tuggener, der damalige Vorsteher des Instituts, klare Worte:
„Die Entfaltung von Lehre und Forschung ist in hohem Masse durch die dreifachen Restriktionen auf dem Gebiete der Finanzen, des Personals und der Räumlichkeiten einerseits, die durch keine Restriktionen gehemmte, aber in jeder Hinsicht schwer voraussehbare Entwicklung der Studentenzahlen anderseits belastet. [...] Wenn die Probleme bislang einigermassen bewältigt werden konnten, so ist dies vornehmlich auf die Mitarbeit unseres ausgezeichnet qualifizierten Mittelbaus zurückzuführen.“ (vgl. IfE Archiv, Jahresberichte 1972-1987).
Diese mahnenden und gleichzeitig lobenden Worte zeugen von einer im Verlauf der 1970er-Jahre zunehmend entstandenen gegenseitigen Abhängigkeit zwischen dem Mittelbau und der Professorenschaft. Dennoch vermochte der Mittelbau am Pädagogischen Institut letztlich aus dieser Lage keine Vorteile zu ziehen.
Welche Veränderung die Position des Mittelbaus erfahren hat, lässt sich entlang zwei Perspektiven zeigen. Zum einen ermöglichen Mittelbau- und Studierendendaten eine Verbildlichung der Betreuungsverhältnisse und der Mittelbauentwicklung. Zum anderen kann über Protokolle und Jahresberichte die Haltung der Professoren gegenüber dem Mittelbau zu zwei Zeitpunkten rekonstruiert werden.
Im Institutsprotokoll von 1972 wird erstmals berichtet, dass zur Aufrechterhaltung des Lehrbetriebs des Pädagogischen Instituts der Einbezug der Forschungsassistierenden notwendig war (vgl. IfE Archiv, Jahresberichte 1972-1987). Bruno Meile und Felix Oggenfuss lehrten gemeinsam „Einführung in die Methoden des erziehungswissenschaftlichen Denkens“ und „Mathematik Grundkurs“ (vgl. Universität Zürich 1972, S. 102). Darüber hinaus wurde die Forschung der beiden Assistenten ohne Abstriche fortgeführt, obwohl von den fünf geleisteten Lehrstunden nur drei bezahlt wurden (vgl. IfE Archiv, Jahresberichte 1972-1987). Den Assistierenden wurden damit neue Aufgaben übertragen, durch die die gegenseitige Abhängigkeit zwischen Mittelbau und Professorenschaft verstärkt wurde. Bis ins Jahr 1980 verfestigt sich der Eindruck, dass der andauernde Anstieg der Studierendenzahlen bei mehrheitlich konstanten Personalzahlen den Druck auf das Institut erhöhte. So verschlechterte sich z.B. das Betreuungsverhältnis zusehends, was sich auch über die Stellenpläne und die Statistischen Jahresberichte ab 1971 bestätigen lässt (vgl. Abb. 1).
Das nachfolgende Diagramm zeigt klar, dass die Studierendenzahlen von 1971 bis 1991 stark anstiegen, um dann auf ein tieferes und schwankendes Niveau zu fallen. Die Anzahl Stellen im Mittelbau erfuhr hingegen über längere Zeit kaum Veränderungen, weshalb angenommen werden kann, dass das Betreuungsverhältnis sich in der Tendenz verschlechterte und nicht auf die zunehmenden Studierendenzahlen reagiert werden konnte.
Der Mittelbau hat auch bei der Schaffung eines neuen Lehrstuhls in den 1980er- und frühen 1990er-Jahren kein Wachstum erfahren (vgl. Abb. 2).
Zur Illustration dienen die zwei Lehrstühle, die beide noch vor 1999 gegründet wurden. Der erste ist der 1972 geschaffene Lehrstuhl für Sozialpädagogik von Prof. Heinrich Tuggener (im Diagramm als Viereck dargestellt). In den Folgejahren wurde diverse Male eine Erhöhung des Personalbestandes durchgesetzt, welche sich dann im Stellenplan für die Amtsdauer 1975/79 festigte (vgl. UAZ, H.3.002, Stellenpläne 1970-1999). Entsprechend stieg die Anzahl an Stellen in nur vier Jahren von 7 auf 11.5.
Danach stagnierte der Stellenbestand um rund ein Dutzend Vollzeitäquivalente. Im Jahr 1986 kam es gar zu einer Umwandlung einer Assistenzstelle in eine Bibliotheksstelle(vgl. UAZ, H.3.002, Stellenpläne 1985, Beschluss 1347). Bezeichnend ist der Umstand, dass trotz der Schaffung des Lehrstuhls Pädagogische Psychologie II von Prof. Kurt Reusser (im Diagramm als Kreis dargestellt) die Anzahl Stellen im Mittelbau nicht gewachsen ist. Im Akademischen Bericht (AkaBer) von 1992/93 bemängelt der Institutsvorsteher Prof. Reinhard Fatke in der Folge auch, dass für den neuen Lehrstuhl keine „Folgestellen“ bewilligt wurden und damit die Ressourcen nun durch vier geteilt werden müssen, was die Verhältnisse noch verschlimmert (vgl. IfE Archiv, Akademische Berichte 1992-2008). Gleichzeitig, dies zeigt sich in Abbildung 1, war damit das bislang fast ungebrochene Wachstum der Studierendenzahlen an einem Ende angelangt.
Über die Diagramme wurde gezeigt, dass das Institut durch das lange, kaum gebremste Wachstum an Studierenden über die Zeit zunehmend unter Druck geraten ist, die Betreuungsverhältnisse zu stabilisieren. In der Folge erhöhte sich der Einbezug des Mittelbaus und stärkte damit die Position desselbigen insofern, als dass sich die gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnisse anglichen. An dieser Stelle würde man erwarten, dass sich das Verhandlungsgewicht des Mittelbaus zur Festigung seiner Position erhöht.
Die kontextuellen Faktoren wie die Studierendenzahlen scheinen hier eine wesentliche Rolle gespielt zu haben und wirken insofern auch auf die Positionierung des Mitelbaus.
Beispielhaft lässt sich dies an den neuen Lehrstühlen zeigen, wo 1972 offenbar die Möglichkeit gegeben war, das Personal stark aufzustocken, während die gleiche Situation 20 Jahre später keine neuen Möglichkeiten bot. Interessanterweise erfährt auch die Haltung der Professorenschaft gegenüber den Angehörigen des Mittelbaus einige Veränderungen.
Exemplarisch geht dies aus dem Vergleich der Jahresberichte von 1976 bis 1980 und dem Ergebnisprotokoll einer Professoren-Mittelbau-Konferenz (PMK) aus dem Jahr 1996 hervor.
In den erwähnten Jahresberichten wurden die Anstellungsbedingungen des Mittelbaus am PI durch die Institutsleitung kritisch thematisiert. Insbesondere erschwerte die Befristung der Arbeitsverhältnisse auf drei Jahre die kontinuierliche Aufrechterhaltung der Forschungstätigkeit aus Sicht der Professorenschaft (vgl. IfE Archiv, Jahresberichte 1972-1987) und die vergleichsweise schlechte Besoldung verstärkte die Fluktuation. Selbst feste Anstellungen der Assistierenden als Wissenschaftliche Mitarbeitende wurden angesichts der guten Arbeitsbedingungen ausserhalb der Universität nur bedingt als attraktiv empfunden. 1980 wurde erneut betont, wie wichtig der Mittelbau zur Bewältigung der Umstände am Institut sei.
Auch an einer PMK von 1996 wurden die Anstellungsbedingungen thematisiert, dieses Mal aber durch die Mittelbauvertretung. Die Pensen der Assistierenden sollten nicht unter 33.3 Stellenprozente fallen. Begründet wurde diese Forderung sowohl mit der Aussicht auf eine akademische Karriere, als auch mit dem Anrecht auf Leistungen der Sozialversicherungen. Darüber hinaus wurde für eine Einhaltung der Mindestanstellungsdauer von drei Jahren argumentiert (vgl. IfE Archiv, Protokoll der Professoren- und Mittelbaukonferenz vom 29.11.1996). Die darauf folgende Diskussion zeigt zwei unterschiedliche Standpunkte. Von den meisten Professoren wurde signalisiert, dass die Flexibilität der Pensen sich einerseits durch die knappen Ressourcen ergaben und andererseits als notwendig erachtet würden, um das Etablieren nicht akademischer Karrieren angenehm und fördernd zu gestalten. Von Seiten des Mittelbaus und des Institutsvorstehers wurde hingegen gefordert, dass die Anstellungsbedingungen im Gespräch mit den Assistierenden individuell betrachtet werden, und nicht allein von den Bedürfnissen des Professors als Arbeitgeber abhängen. Welche Schritte unternommen wurden, bleibt an dieser Stelle des Protokolls unklar, jedoch fehlte dem Mittelbau das Mitspracherecht bei allen Angeleigenheiten des Instituts insofern, als dass sie zwar beratend tätig sein konnten, jedoch kein Stimmrecht hatten (vgl. IfE Archiv, Protokoll der Professoren- und Mittelbauvertreterkonferenz vom 09.07.1993).
In den 16 Jahren, die zwischen den beiden Momentaufnahmen liegen, scheinen sich die Dinge verändert zu haben. Zum einen hat sich der Inhalt der Mitteilung geändert. Anstatt dass sich die Professoren z.B. für die Verbesserung der Anstellungsbedingungen einsetzen, stellen sie von vornherein klar, dass die Ressourcen dazu nicht gegeben sind. Zum anderen scheint die fördernde Haltung eine neue Ausrichtung erfahren zu haben. War die Professorenschaft 1979 noch besorgt ob der Fluktuation, scheint sie 1996 eher besorgt darum, dass mehr Assistierende eine akademische Karriere ins Auge fassen als tatsächlich nötig. Werden an dieser Stelle die bereits gezeigten Veränderungen in den Studierendenzahlen hinzugezogen, entsteht ein relativ stimmiges Gesamtbild, wonach die institutionelle Stellung des Mittelbaus auch davon abhängt, wie sehr er z.B. in die Lehre einbezogen werden muss. Unklar bleibt, ob es Momente gegeben hat, in denen der Mittelbau seine erstarkte Position hätte festigen können. Es lässt sich jedoch sagen, dass der Mittelbau des Pädagogischen Instituts von der Gründung des Instituts bis zum Jahrtausendwechsel einige Veränderungen erfahren hat, welche nie unabhängig von den Lehrstühlen und dem Institut gezeichnet werden können. Mit dem Wachstum der Disziplin in Zürich erfuhr auch der Mittelbau einen Ausbau im Umfang und bezüglich der Aufgaben. Die Aufgaben ändern sich auch ab 1993 nicht, als die Studierenden weniger und die Lehrstühle mehr wurden, doch der Ausbau der Stellen wurde gebremst. Auch die Förderung der akademischen Karrieren erfährt damit eine Veränderung. Durch die sinkenden Studierendenzahlen, so eine mögliche Argumentation, werden mitunter weniger Assistierende in der Lehre gebraucht, wodurch sich der Fokus der Assistenz wieder verstärkt auf die Qualifikation richtet. Allerdings wären an dieser Stelle auch andere Argumentationen denkbar, welche die Bedeutung des Mittelbaus in der Lehre veränderten. So könnte das Halten von Lehre sich positiv auf die Karrierenchancen der Assistierenden ausgewirkt haben oder es wurde zum Usus im Rahmen der Anstellung. Letztlich scheint es, als gelange man zur Überzeugung, dass die zwangsläufige Fluktuation kein grösseres Problem darstellt und fördert daher die Positionierung der Assistierenden in nicht akademischen Karrieren. Die zwischen 1972 und 1993 erstarkte Position des Mittelbaus relativiert sich wieder, wobei auch das Abhängigkeitsverhältnis zwischen demselben und der Professorenschaft asymmetrischer und das Verhandlungsgewicht des Mittelbaus reduziert wird.
Abschliessend stellt sich die Frage wie sich der Mittelbau bis heute weiter entwickelt hat. Anders als in den vorangegangenen Jahrzehnten sind die Vollzeitäquivalente heute relativ volatil, da die durch Drittmittel finanzierten Anstellungen bei der Anzahl Mittelbaustellen stärker von Bedeutung sind. Während die Anzahl der Angestellten des Mittelbaus sowie die Stellenprozente insgesamt nach den Fusionen der erziehungswissenschaftlichen Institute bis ins Jahr 2014 gewachsen sind, sanken sie seither wieder deutlich, die Anzahl Stellen um rund einen Sechstel, die Anzahl Vollzeitäquivalente gar um beinahe einen Viertel (vgl. Personalstatistik der Universität Zürich).
Personalstatistik der Universität Zürich.
Universität Zürich (1972). Vorlesungsverzeichnis Sommersemester 1972. Zürich.
UZH Archiv (UAZ)
H.3.002, Stellenpläne Philosophische Fakultät I (1970-1999).
PUB.001.056, Studierendenstatistik (1977-2006).
Institut für Erziehungswissenschaft Archiv (IfE Archiv). Protokolle der Professoren- und Mittelbauvertreterkonferenz 1993-2000.
Institut für Erziehungswissenschaft Archiv (IfE Archiv). Jahresberichte 1972-1987.
Institut für Erziehungswissenschaft Archiv (IfE Archiv). Akademische Berichte 1992-2008.
Tamara Lehner-Loosli
1972