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Geschichte der Pädagogik an der Universität Zürich

Studentische Organisationen in der Pädagogik

Die Geschichte der Pädagogik an der Universität Zürich ist vor allem auch die Geschichte der Studierenden in den pädagogischen Fächern, im Lehramt, der Sonderpädagogik und der Erziehungswissenschaft. Studentische (Selbst-)Organisation war im 19. Jahrhundert eng an Studentenverbindungen geknüpft, was mit dem rein bürgerlichen Milieu, welches die Universität bis in die Mitte der 1950er-Jahre prägte, zusammenhing. Nach der Bildungsexpansion der 1960er-Jahre wurden die Fakultäten und Institute grösser. Es bildeten sich neue Gruppierungen, die Studierenden forderten zunehmend Mitbestimmung auf allen Ebenen. Offizielle Fachverbände, aber auch ausserinstitutionelle Gruppen sollten die Handlungsmacht der Studierenden, die personell immer die absolute Mehrheit der Institute stellten, steigern. Der vorliegende Text behandelt einige der Vereine und Gruppen rund um den Fachbereich Pädagogik

Durstige Lehramtskandidaten

Als erste pädagogische Studierendenvereinigung kann der von angehenden Sekundarlehrern gegründete „Lehramtskandidatenverein“ gelten. 1874 formierte sich der Verein an der damals existierenden „Lehramtsschule“. Die Mitglieder waren vor allem Abiturient/innen des Seminars Küsnacht, die an der Universität zu Sekundarlehrer/innen ausgebildet wurden. Die Anforderungen an die Lehramtskandiat/innen waren hoch, die wöchentlichen Schulstunden umfassten 30-40 Stunden. Nebst der gegenseitigen Unterstützung beim anstrengenden Studium stand vor allem das leibliche Wohl im Zentrum des Vereins. „Soll einer sich da wundern, wenn die Lehramtskandidaten das Bedürfnis empfanden, sich zusammenzutun, um nach der Stillung des Wissensdurstes die Freuden der Geselligkeit zu empfinden und auch der Forderung des leiblichen Menschen nach Stillung des physischen Durstes nachzugehen?“, fragte der frühere Kandidat Rudolf Fischer in seiner Festschrift zum 25-jährigen Bestehen des Vereins (Fischer, 1931, S. 3). In seiner Ausrichtung war der Verein den Burschenschaften sehr ähnlich. 1881 wurden im Gesetz betreffend die Ausbildung und Prüfung von Sekundarlehrern die Ausbildung von Sekundar- und Fachlehrpersonen neu der Philosophischen Fakultät angegliedert. Die „Lehramtsschule“ fiel weg, die „Kandidaten“ galten fortan als reguläre Studenten. Mit diesen Änderungen fand gleichzeitig die Umwandlung des „Lehramtkandidatenvereins“ in eine farbentragende Verbindung statt. „Pädagogia Turicensis“ nannte sich die Verbindung fortan. Als Zweck wollte die Verbindung einerseits die Diskussion von pädagogischen und allgemein wissenschaftlichen Tagesfragen und die „Dialektischen Fertigkeiten“ seiner Mitglieder fördern. Andererseits sollte das „gesellige Leben“ gepflegt werden. Offen war der Verein für alle Studierende im Lehramt.

Pädagogia (1891-1905). Diverse Schriften. Zürich: Pädagogia.

Pädagogia (1891-1905). Diverse Schriften. Zürich: Pädagogia.

Eine Episode der Geschichte der „Pädagogia Turicensis“ ist eng mit der Gründung des Deutschen Seminars verknüpft. In einem Brief an die kantonale Erziehungsdirektion im Dezember 1885 bemängelte sie, „dass in praktisch, stilistisch rhetorischer Beziehung aus den Vorlesungen an der Hochschule wenig Erspriessliches gewonnen werde und dass die Fortschritte, die man während der vier Semester Hochschulstudium im Deutschen mache, hinter den Erwartungen zurückliegen“ (Gysin, 2011). Die Studierenden wünschten sich ein Seminar, das eben diesen Bedürfnissen entspräche. Ein Jahr später wurde in einem kleinen Raum im Südflügel der ETH das „Deutsche Seminar“ gegründet. Ab 1900 öffnete sich die Verbindung für alle Studierenden. Die Verbindung zum Lehramt wurde ab 1907 definitiv fallen gelassen, als sich die „Pädagogia“ in „Manessia“ umbenannte. Unter diesem Namen besteht die Verbindung bis heute. Neben der Verbindung „Pädagogia“ gab es auch einen eigentlichen Lehramtkandidatenverband, der in verschiedenen Formen bis in die 1980er-Jahre bestand.

 

Erstarktes Selbstbewusstsein nach 1968

Aus den Quellen fassbar werden pädagogische studentische Vereine erst wieder mit der Gründung des „Pädagogischen Instituts“. Nachdem die Diskussionen um Mitbestimmung von universitären Prozessen durch die Studierendenschaft um 1968 herum auch Zürich erreichten, wurden die Vereine am „Pädagogischen Institut“ mit etwas Verspätung vermehrt aktiv (vgl. „Kontext 68“). Mitbestimmungsmöglichkeiten gab es vor allem via Institutskonferenz (IK), die drittelparitätisch unter Vorsitz eines Professors mindestens zweimal pro Semester tagte. An der IK sollte über aktuelle Prozesse informiert werden, Vorschläge für Lehrveranstaltungen, Anregung zu Forschungsvorhaben sowie die Benützung von Dienstleistungseinrichtungen besprochen werden. Entschieden wurde per einfacher Mehrheit, von allen Ständen musste aber mindestens eine Person anwesend sein. Tatsächliche Entscheidungskompetenzen hatte die IK aber nicht. Die offizielle Fachschaft (auch Fachgruppe genannt), die als Suborganisation der SUZ (Studierendenschaft der Universität Zürich) arrangierte die Vertretung der Studierenden auf Institutsebene. Die SUZ wurde anfangs des 20. Jahrhunderts als Zwangskörperschaft eingeführt. Sie war vor allem eine auf Dienstleistung ausgerichtete Organisation, hatte aber in den Verhandlungen mit der Unileitung ein grosses Gewicht und äusserte sich auch zu allgemeinpolitischen Themen. So lange die SUZ klar bürgerlich dominiert war, wurde das nicht als Problem wahrgenommen. Ab 1969 übernahm eine linke Mehrheit die Legislative der SUZ, den Grossen Studentenrat (GStR). Fortan kam es zu grösseren Konflikten zwischen Unileitung und Studierendenräten.

Am Pädagogischen Institut wurde im Mai 1973 eine Basisgruppe Pädagogik gegründet. Die Basisgruppenbewegung war eine Intervention von linksradikalen Gruppierungen an den Instituten, um organisatorische Alternativen zu den institutionalisierten Fachschaften aufzubauen. Die Basisgruppe Pädagogik arbeitete aber eng mit der offiziellen Fachschaft zusammen. Letztere hatte zwar formale Mitbestimmungsrechte auf Institutsebene, trotzdem wurde immer wieder von Fachschaft und Basisgruppe die mangelnde Beachtung von studentischen Interessen etwa in der Berufung von neuen Professor/Innen bemängelt. Die Basisgruppe bot aber auch Dienstleistungen an wie eine „AG Starthilfe“, die ab 1977 Studienanfänger/innen bei Fragen halfen und schnell Kontaktmöglichkeiten am Institut ermöglichten. Kurzum ging es darum, „eine etwas menschlichere Atmosphäre in den ‚Heiligen Hallen‘ der Uni Züri“ zu schaffen.“ (PIK 5, 1977, S. 21) Am 7. Juli 1977 wurde der „Fachverein Pädagogik“ neben der Basisgruppe und Fachschaft als dritte studentische Instanz gegründet. Kontext dieser Gründung war die Zwangsauflösung der SUZ. Diese war der Erziehungsdirektion zu links, zu aufrührerisch. Unter dem Vorwand, dass die SUZ einen Solidaritätsbrief nach Vietnam geschrieben habe und damit gegen die nach 1969 eingeführte Klausel eines Verbots allgemeinpolitischer Äusserungen des Vereins verstossen habe, wurden alle Gremien der SUZ am 2. März 1977 für illegal erklärt. Damit ging auch das Mandat für die Fachschaften verloren. Im „Pädagogischen Institutskurier“ vom Wintersemester 1977/78 informierte die „Fachschaft“ über den kommenden Übergang zum „Fachverein“: „Mit der Studentenschaft der Universität Zürich (SUZ) steht und fällt unsere Fachgruppe (FG) am pädagogischen Institut. Da jene in nächster Zeit gefällt wird [sic! Die Entscheidung über den Fortbestand der SUZ], entschlossen sich einige Leute aus dem FG-Vorstand vorbeugend und parallel zur (noch) existierenden FG den Pädagogischen Fachverein (PFV) zu gründen.“ (PIK 6, 1978) Im Anschluss entbrannte ein Konflikt um Begrifflichkeiten, der mit dem Status der Nachfolgeorganisation der SUZ, dem Verband der Studierenden der Universität Zürich (VSU), zu tun hatte. Die Fachvereine Germanistik und Jus gründeten sich als offizielle Sektionen des VSU. Dies entsprach auch dem Anspruch des VSU, neu die Studentenschaft als Ganzes zu repräsentieren, was aber von der Universität sanktioniert wurde. Die Diskussionen zur Mitgliedschaft der Fachvereine im VSU entbrannten, wie unten angemerkt, in den 1980er-Jahren erneut.

Der Fachverein Pädagogik existierte vorerst noch parallel zur alten Fachschaft. In seinen Statuten hiess es: „Solange die Fachgruppe der Pädagogik-Studenten eine effiziente Interessensvertretung der Studenten gewährleistet, unterstützt sie der Verein; besteht sie nicht mehr, übernimmt er ihre Funktion.“ (StaArch, Z70.1713) Im Wintersemester 1978/79 ist die Fachschaft Pädagogik zum letzten Mal auf den offiziellen Listen der studentischen Vereine zu finden. Der Fachverein war nun die offizielle Vertretung der Studierendenschaft auf Institutsebene. Ab April 1979 gab der Fachverein seine eigene kleine Zeitung heraus. Bereits die Fachschaft informierte ab 1971 zwei bis dreimal pro Semester mit ihrer eigenen Informationsschrift „Pädalo“, die aber nicht mehr erhalten ist. Die Do-It-Yourself-Stilistik und collagenhafte Machart der noch vorhandenen Fachverein-Zeitung verweisen auf die Nähe zu den neuen gestalterischen Ausdrucksformen der 68-er Bewegung. Der „Päda-Spatz“ stand für den „frechen Spatz auf dem Dach des P.I.“ und sparte nicht mit angriffslustigen Kommentaren (Päda-Spatz, 1979). Auch mit den thematischen Schwerpunkten von „Freien Tutoraten“ oder Berichten von Arbeitskämpfen stand der „Päda-Spatz“ in der Tradition der linken studentischen Bewegung. Zu der Zeit das umstrittenste Thema war aber die Berufung von Fritz-Peter Hager. Hager wurde im April 1978 zum Extra-Ordinarius für Historisch-systematische Pädagogik der Universität berufen. Die damals noch existierende Fachschaft wehrte sich bereits im Februar 1975 während des ersten Berufungsverfahrens entschieden gegen Hager, „da er den von der Fachschaft aufgestellten Kriterien nicht genügte.“ (UAZ, AB.1.0370) Das erste Verfahren für die Nachfolge von Leo Weber scheiterte, da der aussichtsreichste Kandidat aus gesundheitlichen Gründen zurücktrat. Im zweiten Verfahren wurde Hager gar nicht mehr berücksichtigt. Der Ruf ging an Dietrich Benner von der Universität Münster, dem Favoriten der Fachschaft. Benners Dienstantritt wurde nach Absprache mit der Universität auf den 1. April 1977 festgelegt. Allerdings standen seiner Anstellung zwei bürokratische Probleme im Weg: Erstens ersuchte Benner um die Möglichkeit, seinen deutschen Mitarbeiter Friedhelm Brüggen, der an der Universität Münster mit seiner Habilitationsschrift begonnen hatte, mit ihm nach Zürich zu bringen. Erziehungsdirektor Gilgen wies aber darauf hin, dass der deutsche Mitarbeiter, sobald ein Schweizer Kommilitone promovieren würde, entlassen werden müsste. Tuggener und Widmer versicherten, dass es allerdings kein Problem darstelle, eine definitive Beschäftigungsdauer von 6 Jahren für den promovierenden Wissenschaftler zu erreichen. Doch das kantonale Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit verweigerte Brüggen im Februar 1977, den Wohnsitz zwecks Arbeitsaufnahme in die Schweiz verlegen zu dürfen. Dabei ging es auch um Brüggens Ehefrau, eine Zahnarzthelferin, wobei das Amt Brüggen vorschlug einen Antrag auf „Familiennachzug zum erwerbslosen Aufenthalt“ zu stellen. Ein zweites Problem zeigte sich beim Wunsch von Benners Frau, in Zürich als Musikschullehrerin zu arbeiten. Sogar die Ausübung eines freiberuflichen Musikunterrichts wurde ihr verweigert. Am 30. März 1977 zog Benner darauf die Konsequenzen und lehnte den Ruf an die Universität Zürich ab. Danach ging alles sehr schnell: Im März 1978 wurde dem Fachverein mitgeteilt, dass Hager per April 1978 sein Amt antrete. Der Fachverein Pädagogik und die Fachschaft der Sekundarlehrer Phil. I und Phil. II fühlten sich übergangen und starteten darauf die Petition „Platon Ade“. Sie sammelten 282 Unterschriften im Protest gegen den Verlauf des Berufungsverfahrens. Speziell kritisierten sie die wissenschaftliche Ausrichtung Hagers. „Die Geschichte der Pädagogik soll nicht vermittelt werden als abstrakte Ideengeschichte. Vielmehr soll untersucht werden, wie und was welchem sozialen, politischen und ökonomischen Kontext heraus pädagogisches Denken jeweils entstand und ob und in welcher Weise es zur Veränderung pädagogischer Praxis beitrug.“ (UAZ, AB.1.0370) Was das konkret bedeutet zeigen die Gastdozenten, welche die Basisgruppe Pädagogik und die Fachschaft in den vorangegangenen Jahren eingeladen haben. Im Sommersemester 1977 führte Johannes Gröll ein Seminar zu „Marxistische Erziehungskritik“ durch (PIK 5, 1977). Gegen die idealistische Rückbesinnung auf die Antike forderten die Studierenden also den konkreten Materialismus der kritischen Theorie. Die Kritik an der Berufung flachte nicht ab. Im ersten Päda-Spatz im April 1979 wurde ein Brief der Professorenschaft erwähnt, der an alle Studierenden des Pädagogischen Instituts (ausser den Erstsemestrigen) verschickt wurde. Darin stellen die Professoren fest, dass sie nur noch unter gewissen Bedingungen an den Institutskonferenzen mitarbeiten würden: „1. Die Agitationen gegen Herrn F.P. Hager sind ab sofort einzustellen. 2. Die IK ad hoc bleibt nach Institutsvereinbarung im Sinne einer Verfahrensregelung nach wie vor institutsintern öffentlich. Das Wort steht aber nur den bezeichneten Delegierten zu.“ (Päda Spatz 1, 1979) Der Päda-Spatz kritisierte, dass dieser Brief gerade zwei Tage vor den Ferien bei den Studierenden eintraf und somit eine rasche Antwort verunmöglichte. In den nächsten Ausgaben des Päda-Spatz wurde vor allem das Philosophikum, eine Art Abschluss-Akzessprüfung für alle Hauptfach-Pädagogikstudierenden, besprochen. Der Fachverein sprach sich rabiat gegen mehr Vorlesungen und vor allem gegen die obligatorische Bücherprüfung nach einer Literaturliste von Professor Hager aus. Hager blieb trotz diesen Angriffen von Seiten der Studierendenschaft bis zu seinem Tod 1997 am Institut, amtierte von 1988 bis 1992 sogar als Vorsteher. Die Kritik an ihm blieb, in den 1980er-Jahren vor allem aufgrund seiner Kontakte zu einer sektenartigen Organisation, die am Institut immer stärker wurde (SozArch, AR75.40.2; StaAZH, Z70. 1607).

Die „Lieblinge“ gegen den VSU

Das Thema studentische Organisation an der Universität Zürich war in den 80er-Jahren stark von der Auflösung der öffentlich-rechtlichen Studentenschaft SUZ Ende 70er-Jahre und der darauf folgenden unklaren Rechtslage für die rein privatrechtlich organisierte Nachfolge, den VSU, geprägt. Der VSU selbst beanspruchte aufgrund seiner Grösse und den zahlreichen von ihm organisierten und von der SUZ übernommenen Dienstleistungen eine Sonderrolle unter den privaten Vereinen an der Universität. Bürgerliche Vereine wie der „Studenten-Ring“ sowie die Universitätsleitung bestritten dies immer wieder. Der VSU galt als links, als politische Nachfolge der aufgelösten SUZ. Ende 1980-Jahre versuchte der VSU seine Position durch eine stärkere Einbindung der Fachvereine zu festigen. Fachvereine sollten neu Kollektivmitglieder des VSU werden können. Der VSU wollte damit seine Basis stärken sowie die vereinzelten Kämpfe der Fachvereine auf Institutsebene besser vernetzen und Erfahrungen austauschen. Die Kollektivmitglieder müssten sich für die „Attraktivitässteigerung“ des VSU einsetzen sowie einen eher symbolischen Mitgliedsbeitrag zahlen. Protest gegen diese Umstrukturierung des VSU kam nicht nur vom bürgerlichen „Studenten-Ring“. Am Psychologischen und Pädagogischen sowie weiteren Instituten griff der „Verein zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis“ (VPM) in die Debatten der Fachvereine ein und versuchte, die Kollektivmitgliedschaft im VSU zu verhindern. Der VPM sah sich selber in der Tradition von Friedrich Liebling, der ab den 1950er-Jahren in Zürich eine psychologische Beratungsstelle aufbaute. Nach seinem Tod gründeten ehemalige Schüler/innen Lieblings den VPM, der durch seine verschwörungstheoretische und ultrakonservative psychologisch-pädagogische Ansichten auffiel. Der VPM wurde als totalitäre „Psycho-Sekte“ beschrieben (Efler / Reile, 1995). Sie agitierten vor allem gegen die „Reformpädagogik“ und „neulinke Schulabschaffer“. Im November 1988 wollte der Fachverein Pädagogik an seiner Vollversammlung über die Kollektivmitgliedschaft im VSU debattieren. Es kamen gegen 50 Personen. „Nur, wer da mobilisiert hat (oder worden ist?), war uns vom Vorstand gänzlich unbekannt. In der Versammlung sassen um die 30 Leute, die wir noch nie gesehen haben, weder im Zusammenhang mit dem Fachverein, noch sonst im Pädagogikstudium, - und alle bis auf zwei waren HauptfachpädagogInnen“, schrieb der Vorstand des Fachvereins in einem im Anschluss an die Versammlung veranlassten Briefversand an alle Studierenden (Brief 21.1.1989, Ordner Fachverein). Die Gruppe habe „auffällig homogen“ argumentiert und stimmte geschlossen gegen die Mitgliedschaft im VSU. Der VPM selbst wird im Brief des Vorstands zwar nie explizit erwähnt, trotzdem dürfte es allen Studierenden klar gewesen sein, wer die Vollversammlung überrumpelte. Der VPM war dafür bekannt, seine Aktivitäten nicht öffentlich zu deklarieren. Der Vorstand führte weiter aus: „Wie eingangs erwähnt, ist der Vorstand des Fachvereins besorgt über die nicht offengelegten Bestrebungen dieser Gruppierung. Wie auch aus der Zürcher Presse zu erfahren ist, lassen die sehr ähnlichen Vorfälle in anderen Fachvereinen (Psychologie, Geschichte, Medizin) eine fachübergreifende Organisation vermuten, die sich als solche nicht zu erkennen gibt.“ Der Vorstand wollte sich nicht „vereinnahmen“ lassen und mobilisierte nun selber aktiv Studierende zur Teilnahme an der nächsten Vollversammlung, wo der Entscheid der Nicht-Mitgliedschaft im VSU durch die Mehrheit der anwesenden Studierenden zurückgenommen und die Kollektivmitgliedschaft doch noch beschlossen wurde. Im Anschluss an den Brief des Vorstands trat eine Person unter Protest aus dem Fachverein aus, da sich der Vorstand als „Handlanger für die Machtansprüche des VSU“ entpuppe. Konflikte gab es aber nicht nur unter den Studierenden. Professor Fritz-Peter Hager nahm wiederholt auf Einladung des VPM an Kongressen teil und sorgte durch seine Nähe zum VPM für Kontroversen am Institut (Stamm, Tagesanzeiger, 3.5.1996).

Die Ansprüche der 68-er blieben

Der Konflikt um die Kollektivmitgliedschaft beim VSU zeigt einerseits die Bedeutung und die Mobilisierungskapazität, die der VPM offensichtlich Ende der 80er-Jahre aufbrachte. Es zeigt aber auch, dass die Fachvereine für gesamtuniversitäre Prozesse wichtiger wurden, gerade auch, weil der VSU juristisch stets prekär aufgestellt war. In den 80er-Jahren wurde der Kampf um Mitbestimmung vor allem auch auf Institutsebene geführt, mit einigen Erfolgen. Am Pädagogischen Institut engagierte sich der Fachverein stark im Berufungsverfahren für die Nachfolge von Professor Heinrich Tuggener. Nach dem damaligen Unterrichtsgesetz (§ 145 Abs. 5) war den Studierenden sowie den Privatdozent/innen und Assistent/innen nur ein Anhörungsrecht ohne Akteneinsicht zugesichert. Stellungsnahmen für die Berufungskommission, in der nur Professor/innen zugelassen waren, konnten die anderen Stände nur via Übermittlung des Kommissions-Präsidenten anbringen. Trotzdem gründete der Fachverein im April 1988 eine „Arbeitsgruppe Tuggener“, an der sich zwei Dutzend Studierende beteiligten. Die Arbeitsgruppe erstellte einen Fragebogen, um die Meinung der Studierenden zum gewünschten Anforderungsprofil einer Nachfolge zu eruieren. Im Oktober wurde die Liste der für einen Gastvortrag eingeladenen möglichen Kandidat/innen der Berufungskommission versendet. Frauen fehlten komplett, was die Assistentenschaft in einem Brief an die Berufungskommission kritisierte und forderte, dass Silvia Staub-Bernasconi auch angehört werden sollte. Auch der Fachverein forderte, unbedingt Frauen für die Nachfolge von Professor Tuggener anzuhören, gerade weil „der Anteil der weiblichen Studentenschaft in der Pädagogik einer der höchsten der ganzen Universität darstellt.“ (Brief 2.11.1988, Ordner Fachverein) Staub-Bernasconi erhielt dann auch die Möglichkeit, einen Gastvortrag vor der Berufungskommission zu halten. Die Wahl fiel schlussendlich auf Reinhard Fatke von der Universität Fribourg. Staub-Bernasconi wurde von der Hochschulkommission als wissenschaftlich ungenügend qualifiziert zurückgewiesen. Der Fachverein kritisierte das Berufungsverfahren als Ganzes, prangerte die fehlende Mitbestimmung an und gründete sogar kurzfristig eine „AG Unwille“, die sich mit „Informations- bzw. Studipolitik und anderen Missständen“ auseinandersetzte. Der Fachverein war dabei nicht allein: Anfangs der 90er-Jahre wurde eine Einzelinitiative „über ein angemessenes Berufungs- und Beförderungsverfahren an der Universität Zürich“ im Kantonsrat eingereicht und wurde später überraschend auch vom Volk angenommen. Die Studierenden konnten fortan, wenn auch als kleine Minderheit, in den Berufungskommissionen Einsitz erhalten (Ordner Fachverein).

Fehlende Beteiligung

Solchen Phasen der aktiven studentischen Beteiligung an verschiedenen institutionellen Prozessen müssen aber auch die eher passiven Zeiten mit knappen personellen Ressourcen gegenübergestellt werden. Immer wieder zeigten studentische Organisationen in der Pädagogik in Zürich Auflösungserscheinungen, kamen entsprechend in institutsinternen Entscheidungsfindungsprozessen kaum noch vor. Im Juni 1975 entschloss sich die Fachgruppe, ihre Arbeit zu sistieren, da nur noch drei Vorstandsmitglieder wirklich aktiv waren (PIK 1, 1975, S. 19). Erst Ende Wintersemester 1975/76 nahmen sie die Arbeit wieder auf. Auch die Fachschaft Sonderpädagogik löste sich anfangs des Sommersemesters 1990 auf. Sie schrieb: „Wir, die Vorstandsmitglieder, fühlen uns nicht mehr legitimiert, uns als Vertreter der Sonderpädagogik-Studentinnen und -Studenten zu bezeichnen.“ (Sonderpost 23, 1990, S. 11)

Sonderpost 23, 1990

Sonderpost 23, 1990

Anfangs Sommersemester 1992 kehrte der Fachverein mit viel Elan zurück, organisierte ein grosses Fest, mehrere praxisnahe Workshops (z.B. Rhythmik in der sonderpädagogischen Praxis), ein Praktikant/innentreff, eine Studienreise nach Italien und gründete eine Arbeitsgruppe zur Nachfolge von Gerhard Heese. Die Auflösung der Fachvereine war aber nicht immer auf fehlende Beteiligung zurückzuführen. 2011 löste sich der Fachverein Erziehungswissenschaft, wie er nach der Fusion der beiden Institute hiess, unter Protest auf. Auslöser war das Berufungsverfahren für die Nachfolge Jürgen Oelkers, bei dem sich die Studierenden übergangen und nicht ernst genommen fühlten. Dies zeigt, dass formale Mitbestimmungsrechte, die meistens nur eine tiefe formale Beteiligung für Studierende in Entscheidungsprozessen vorsah, nicht automatisch zu einem grösseren Einfluss der Studierendenschaft führen. Doch verfügt der Fachverein auch über eigene Protest- und Aktionsformen, um auf die anderen Stände mehr Druck ausüben zu können. In den letzten Jahren war die Beteiligung am Fachverein stark schwankend. Auf Semester mit verschiedenen Veranstaltungen, inhaltliche wie soziale, und eine aktive Beteiligung an der Institutsversammlung folgten Semester, in denen man den Fachverein nur noch selten als eigentliche Vertreterin der Studierenden wahrnahm.

Flyer für eine Party in der Autonomen Schule im April 2013.Ordner Fachverein. Flyer für eine Party in der Autonomen Schule im April 2013.

Der Fachverein als Ort der politischen Auseinandersetzung mit dem Institut tauchte nur noch selten auf, Kontaktpflege unter den Studierenden durch Feste oder Spielabende schien wichtiger. Die sozialen Medien wurden zur wichtigsten Kommunikationsplattform, Mails oder Infowände des Fachvereins waren dagegen eher selten. Geblieben war aber ein Interesse an alternativen Schulmodellen und einer kritischen Auseinandersetzung mit pädagogischen Bildungsinhalten. Partys und Veranstaltungen fanden immer wieder im Umfeld der „Autonomen Schule Zürich“, einem selbstorganisiertem migrantischen Bildungsprojekt in Zürich statt. Zu hoffen wäre, dass die Studierenden wieder mit mehr Interesse an den institutsinternen Prozessen teilnehmen würden und diese auch durch die aktive Forderung nach mehr demokratischem Miteinbezug prägen können. Auch in Zeiten von Bologna und dem oft anzutreffenden sehr funktionalen Verhältnis von Studierenden zum Studium (Stichwort: Punktejagd) ist eine erneute Politisierung der Studierenden möglich, ja vielleicht sogar notwendiger denn je!

Quellen und Literatur

Efler, I;  Reile H. (1995). VPM – Die Psychosekte. Reinbek: Rowohlt Verlag.

Fachverein Pädagogik. Päda-Spatz.

Fischer, H. (1931). Erinnerungsblätter zum 25-jährigen Bestande der Verbindung Pädagogia-Manessia. 1881-1906. Bülach: Steinemann-Scheuchzer.

Gysin, R (2011). Klagen der „Pädagogia“ erhört. In: https://www.news.uzh.ch/de/articles/2011/klagen-der-paedagogia-erhoert.html [zul. Besucht: 18.06.18].

Institut für Sonderpädagogik. Sonderpost. Mitteilungen des Instituts für Sonderpädagogik der Universität Zürich.

Ordner Fachverein. Privates Archiv des Fachvereins Erziehungswissenschaft der Universität Zürich.

Pädagogisches Institut. Pädagogischer Instituts Kurier (PIK). Hausmitteilungen des Pädagogischen Institutes der Universität Zürich.

Stamm, H (1996). Experten mit VPM-Nähe. Tagesanzeiger, 3.5.1996.

Sozialarchiv Zürich (SozArch)

AR75.40.2 Druckschriften BHG und VorgängerInnen

Staatsarchiv Zürich (StAZH)

Z70. 1607 Basisgruppe Pädagogik

Z70.1713 Pädagogischer FachvereinUniversitätsarchiv (UAZ)

UZH Archiv (UAZ)

AB.1.0370, Dozierendendossier Fritz Peter Hager.

Autorenschaft

Lars Heinzer

Zeitmarke

1968