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Die Ausbildung für Sekundarlehrer/innen in Zürich fand an vielen verschiedenen Orten statt, wobei lange Zeit nur die Prüfung am Lehrerseminar Küsnacht geregelt und die eigentliche Ausbildung relativ frei wählbar war. Ab Ende des 19. Jahrhunderts wurde eine Lehramtsschule an der Universität Zürich eingerichtet, wo die Sekundarlehrer/innenausbildung trotz vieler kleiner, interner Änderungen relativ stabil blieb.
Die Einführung einer liberalen Verfassung in den 1830er-Jahren bewirkte eine Reform des Schulwesens im Sinne der Aufklärung und führte 1831 zum Gesetzesvorschlag über die Errichtung einer Bildungsanstalt für Schullehrer im Canton Zürich, wobei sich die heftigste Diskussion nicht um die Finanzierung, sondern um die Standortfrage drehte. Schlussendlich obsiegten die Argumente für einen eher ländlichen Ausbildungsort. So wurde am 7.5.1832 das Lehrerseminar in Küsnacht gegründet, welches für die nun obligatorische Ausbildung der Volksschullehrer/innen zuständig war. Zum Erwerb des Sekundarlehrpatentes musste nach Abschluss des Lehrerseminars eine externe Prüfung bestanden werden (vgl. Hoffmann-Ocon 2015).
Es gab aber noch keine klaren Vorgaben zu den Anforderungen, was am 28.2.1835 im Reglement über die Prüfung der Sekundarlehrer für den Kanton Zürich geändert werden sollte. Unklarheiten wurden beseitigt, die Prüfungen öffentlich gemacht und die Prüfungsfächer erweitert. Neben den fachwissenschaftlichen Prüfungen musste zudem eine Probelektion mit Zöglingen aus der Industrieschule bestanden werden. Wer in Mathematik und Sprachen nicht bestand, konnte nur noch Fachlehrer für andere Disziplinen werden. Durch dieses Reglement stiegen aber auch die Anforderungen und waren nicht mehr durch ein Selbststudium zu erreichen. Am 3.7.1835 trat daraufhin das Gesetz über die Sekundarlehrerausbildung in Kraft, welches im Anschluss an die zweijährige Primarlehrer/innenausbildung am Seminar in Küsnacht den Besuch eines Jahreskurses an demselben Institut vorschrieb. Bis 1839 erhielten auf diese Weise 82 Sekundar- und Fachlehrpersonen ihr Wählbarkeitszeugnis (vgl. Ziegler 1994).
Auch in der konservativen Periode zwischen Züri-Putsch 1839 und liberalem Umschwung Mitte der 1840er-Jahre waren Primar- und Sekundarlehrer/innenausbildung eng verzahnt, eine berufspraktische Ausbildung war nicht vorgesehen und religiöse Amtsträger behielten eine bedeutende Rolle in Ausbildung und Unterricht.
Die Schülerzahlen – und daran gemessen auch das allgemeine Ansehen der Sekundarschule – stiegen. Die Anzahl der Schülerinnen und insbesondere der Lehrerinnen blieb jedoch lange Zeit verhältnismässig klein (vgl. Ziegler 1994; www.bildungsgeschichte.uzh.ch).
Abb. 1: Anzahl Lernende Sekundarschule Kanton Zürich, eigene Darstellung, aus Gebauer 2015a.
Zwischen 1847-1850 existierte ein Lehrerinnenseminar am Zeltweg, das durch privates Engagement, ohne staatliche finanzielle Unterstützung entstanden war. Ab 1847 wurden zudem auch Frauen zur Ausbildung in Küsnacht zugelassen. 1875 erfolgte die Gründung der Höheren Töchterschule in Zürich und 1878 standen Seminarklassen für zukünftige Volksschullehrerinnen im Angebot. Der Besuch von Lateinkursen ermöglichte es den Frauen, insbesondere jenen aus bürgerlichen Schichten sowie Migrantinnen aus Osteuropa, an eine Hochschule einzutreten. Bis sich Lehrerinnen an der Sekundarschule durchsetzen konnten, bedurfte es im Kanton Zürich noch einer geraumen Zeit (vgl. Hoffmann-Ocon 2015).
Abb. 2: Anzahl Lehrpersonen Sekundarschule Kanton Zürich, eigene Darstellung, aus Gebauer 2015b.
Im Seminargesetz von 1848 fielen auch die letzten kirchlichen Bestimmungen, wie zum Beispiel der Besuch des Sonntagsgottesdienstes weg und das Eintrittsalter wurde von 17 auf 18 Jahre angehoben. Die Ausbildung für Sekundarlehrer/innen in Küsnacht wurde jedoch aufgehoben und der Kanton Zürich war zwischenzeitig auf auswärtige Lehranstalten angewiesen. Ab 1859 definierte man gesetzlich Stipendien für Lehramtsstudierende an ausserkantonalen Anstalten. Die Prüfungen wurden zu dieser Zeit aber weiterhin am Seminar in Küsnacht durchgeführt. Mit Bewilligung durften nun auch andere Sprachen wie Latein oder Englisch unterrichtet werden (vgl. Ziegler 1994).
1860 fand eine Reform der Ausbildung statt. Professoren der Zürcher Hochschulen hielten freie Kurse, die vom Erziehungsrat für die Ausbildung empfohlen wurden, die aber die Vorbildung und Bedürfnisse der Studierenden laut deren Meinung zu wenig berücksichtigten, planlos wirkten und keiner einheitlichen Leitung unterstanden. Auch die Ausbildungsdauer von zwei bis drei Semestern wurde als zu kurz und überlastend beschrieben (vgl. Ziegler 1994).
Im Jahr 1865 gab es daraufhin erstmals einen systematischen Unterrichtskurs für angehende Sekundarlehrer/innen an der Universität Zürich, der 1869 provisorisch und 1870 definitiv zu einer provisorischen Lehramtsschule an der Universität ausgebaut wurde und auch als erste Stufe der Ausbildung für das Höhere Lehramt diente. Die Ausbildung dauerte mindestens zwei Jahre und zur spezifischen Berufsbildung wurden Vorlesungen zu Psychologie und Pädagogik sowie methodisch sprachliche Kurse und Lehrübungen angeboten. Mit dem Studium an der Universität fiel auch das bis 1872 neben der staatlichen Subventionierung und den freiwilligen Beiträgen der Gemeinde erhobene Schulgeld von Sfr. 16.- pro Schüler/in pro Jahr weg. Vier Franken davon gingen als zusätzliches Einkommen an die Lehrperson, der Rest an die Schule (vgl. FBP, ZH HA II 5, 1870 Verordnung; Ziegler 1994).
Die Lehramtsschule wurde 1879 jedoch als ungenügend empfunden und Stimmen für ein vermehrt akademisches Studium wurden laut. Dieser Wunsch wurde am 27.3.1881 im Gesetz betreffend die Ausbildung und Prüfung von Sekundarlehrern umgesetzt. Für die Ausbildung von Sekundar- und Fachlehrpersonen nun die Philosophische Fakultät der Hochschule besorgt. Mit Otto Hunziker prägte ein Pädagoge und Bildungshistoriker die Entwicklung der Sekundarlehrer/innenausbildung an der Universität Zürich über mehrere Dekaden. Die Voraussetzung zur Aufnahme war die Wählbarkeit als Primarlehrperson in Zürich und eine mindestens einjährige Berufserfahrung an einer Primarschule. Die Patentierung der Sekundarlehrer/innen erfolgte nun durch ein zweijähriges akademisches Studium, wobei die angehenden Lehrpersonen an der Universität immatrikuliert und mit den anderen Studenten gleichgestellt waren. Der Unterricht war für Bürger des Kantons Zürich oder Personen, die seit mindestens zehn Jahren in Zürich wohnten, unentgeltlich. Nichtkantonsbürger und Auditoren hatten ein jährliches Schulgeld von 60 Franken zu bezahlen (FBP, ZH HA II 5, 1901 Seminarordnung).
Die Fächer Pädagogik, Psychologie, Methodik, Deutsch und Französisch waren nun für alle obligatorisch, und es musste zudem eine weitere Fächergruppe (Spezialfächer) gewählt werden. Diese grosse Anzahl an Prüfungsfächern empfanden die Studierenden schnell als Überbelastung, weshalb 1890 die Prüfungen nur noch in den allgemein verbindlichen Fächern und in einem Hauptfach abgelegt werden mussten. Darüber hinaus musste ein Nebenfach besucht und eine schriftliche Arbeit verfasst werden (vgl. Ziegler 1994).
Studienplan März 1902
Fach |
Stunden |
1. Semester |
24-28 |
Psychologie |
2-3 |
Deutsche Sprache: Literaturgeschichte |
2 |
Mittelhochdeutsche Übungen |
2 |
Stilistische Übungen |
1 |
Französische Sprache: Literaturgeschichte und Lektüre |
3 |
Phonetik, Grammatik und Aufsatz |
2 |
Mathematik: Elemente der algebraischen Analysis |
2 |
Naturwissenschaften: Biologisches Praktikum |
2 |
Turnen |
1 |
Spezialfach |
7-10 |
2. Semester |
26-30 |
Psychologie |
2-3 |
Deutsche Sprache: Literaturgeschichte |
2 |
Grammatik |
2 |
Stilistische Übungen |
1 |
Französische Sprache: Literaturgeschichte und Lektüre |
3 |
Phonetik, Grammatik und Aufsatz |
2 |
Geschichte: Vortragsübungen in neuerer allgemeiner Geschichte |
2 |
Mathematik: Analytische Geometrie |
2 |
Naturwissenschaften: Chem. Praktikum |
2 |
Turnen |
1 |
Spezialfach |
7-10 |
3. Semester |
29-32 |
Pädagogik: Allgemeine Pädagogik oder Geschichte der Pädagogik |
2 |
Methodik |
2 |
Deutsch: Literaturgeschichte |
2 |
Grammatik |
2 |
Stilistische Übungen |
1 |
Deutsch-pädagogische Übungen |
1 |
Französisch: Literaturgeschichte und Lektüre |
3 |
Phonetik, Grammatik und Aufsatz |
2 |
Geschichte: Vortragsübungen in neuerer Schweizer-Geschichte |
2 |
Mathematik: Politische Arithmetik |
2 |
Naturwissenschaften: Physikalisches Praktikum |
2 |
Turnen |
1 |
Spezialfach |
7-10 |
4. Semester |
23-26 |
Pädagogik: Methodik und Probelektion |
6 |
Deutsch: Literaturgeschichte |
2 |
Grammatische Übungen |
1 |
Französisch: Literaturgeschichte und Lektüre |
3 |
Phonetik, Grammatik und Aufsatz |
2 |
Naturwissenschaften: Physikalisches Praktikum |
2 |
Spezialfach |
7-10 |
(Studienplan aus: FBP, ZH HA II 5, 1902 Studienordnung)
Am 11.6.1899 wurde ein weiteres Gesetz betreffend Volksschule verabschiedet. Der Unterricht an einer Klasse durfte nun zwischen mehreren Lehrpersonen aufgeteilt werden. Das führte langsam aber sicher zu einer Spezialisierung und 1906 erfolgte auch in der Ausbildung der erste Versuch einer Fachrichtungstrennung in einen sprachlich-historischen und mathematisch-naturwissenschaftlichen Zweig mit je fünf Fächern. Deutsch und Französisch waren somit nicht mehr obligatorisch, dafür aber das Fach Schulgesundheitspflege (vgl. Ziegler 1994).
Zwischen 1907 und 1938 fand auch die Ausbildung für Primarlehrpersonen an der Universität Zürich statt. Der Erziehungsrat beschloss am 16. Oktober 1907, eine modifizierte und verkürzte Sekundarlehrer/innenausbildung für die Absolvent/innen des Primarlehramtsstudiengangs einzurichten. Wer demnach die neue universitäre Ausbildung zur Primarlehrperson abschloss, konnte ohne Berufserfahrung mit der Ausbildung zur Sekundarlehrperson an der Universität beginnen. Für Absolvent/innen eines Seminars sah die Gesetzgebung bei diesem Schritt mindestens ein Jahr Berufspraxis und eine bestandene Fähigkeitsprüfung als Voraussetzung vor. Diese Anforderungen konnten im Falle eines konsekutiven Sekundarlehramtsstudiengangs übersprungen werden (vgl. Ziegler 1994).
1910 wurde die berufspraktische Ausbildung durch die Eröffnung der kantonalen Übungsschule im Schulhaus Wolfbach verbessert. Die Leitung dieser Schule wurde Hans Stettbacher übertragen, der 1925 mit dem Extraordinariat für Methodik und Didaktik der Unterrichtsfächer der Volksschule betraut wurde. 1932/33 verlegte man die Übungsschule in das besser ausgerüstete Schulhaus Hirschengraben (vgl. Ziegler 1994).
Ab 1949 übernahm Prof. Dr. Leo Weber die Verantwortung für die Sekundarlehrer/innenausbildung an der Universität Zürich, wobei die Wahl zwischen Weber und Guyer umstritten war und auch in der Öffentlichkeit rege diskutiert wurde. 1956 gründete Weber das Pädagogische Seminar, welches 1968 in das Pädagogische Institut umgewandelt wurde. Zu Stettbachers Zeit waren eher wenige Studierende eingeschrieben, was sich dann aber ab 1950 aufgrund des Lehrpersonenmangels änderte. Nun interessierten sich aber immer mehr Maturanden und Maturandinnen ohne abgeschlossenes Lehrerseminar und ohne Unterrichtserfahrung für die Ausbildung. Damit die Ausbildungsqualität dadurch nicht sank, führte man 1959, im selben Jahr, in dem die Oberstufe dreigeteilt wurde (Sekundar-, Real- und Oberschule), Demonstrationslektionen ein. 1961 wurden obligatorische zweiwöchige Praktika sowie eine Aufteilung der Fachrichtungsdidaktik eingeführt (vgl. Ziegler 1994).
Da zu jener Zeit schultypengerecht und nicht wie heutzutage stufengerecht unterrichtet wurde, gründete man 1963 das Real- und Oberschullehrerseminar (ROS), welches zuerst im Pestalozzianum, später dann im Schulhaus Döttschi situiert war. Das Studium dauerte zwei bzw. ab 1978 drei Jahre und zugelassen wurden Primarlehrpersonen mit mindestens zweijähriger Berufspraxis. Aufgrund des Lehrermangels, ausgelöst durch die Babyboom-Generation, wurden die Zulassungsbedingungen für das ROS bald gesenkt. Die Ausbildung für die Sekundarlehrer/innen wurde weiterhin an der Universität durchgeführt (vgl. Hoffmann-Ocon 2015).
1974 wurde die bisher dem Pädagogischen Institut der Universität Zürich angegliederte Sekundarlehrer/innenausbildung zu einer eigenständigen Institution mit vollamtlichem Direktor. Die neu geschaffene Sekundar- und Fachlehrerausbildung an der Universität Zürich unterstellte man direkt der Abteilung Mittelschulen und Lehrerbildung der Erziehungsdirektion des Kantons (vgl. Ziegler 1994).
Gebauer, S. (2015a, 6. November). Lernende Sekundarschule Kanton Zürich (Geschlecht, Herkunft). URL http://www.bildungsgeschichte.uzh.ch/static/prod/bg_files/biz_ZH_T6a_A2a.xls [25.02.2018]
Gebauer, S. (2015b, 6. November). Lehrpersonen Sekundarschule Kanton Zürich (Geschlecht, Art der Anstellung). URL http://www.bildungsgeschichte.uzh.ch/static/prod/bg_files/biz_ZH_T6a_A1.xls [25.02.2018]
Hoffmann-Ocon, A. (2015). Orte der Lehrerinnen- und Lehrerbildung im Kanton Zürich. Bern: Hep.
Ziegler, P. (1994) Sekundarlehrerausbildung an der Universität Zürich: Direktion der Sekundar- und Fachlehrerausbildung an der Universität.
Forschungsbibliothek Pestalozzianum (FBP):
ZH HA II 5, 1870 Verordnung der Lehramtsschule an der Universität Zürich.
ZH HA II 5, 1901 Seminarordnung für das Lehrerseminar des Kantons Zürich in Küsnacht.
ZH HA II 5, 1902 Studienordnung für die Kandidaten des Sekundarlehramts.
Nina Hüsler
1832