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Geschichte der Pädagogik an der Universität Zürich

Das höhere Lehramt an der Universität Zürich

Abstract

Das Diplom für das höhere Lehramt berechtigte zum Unterrichten an Gymnasien, Mittelschulen, Berufsschulen bzw. Maturitätsschulen. Es konnte an der Universität Zürich für die philologisch-historischen Fächer seit 1861 erworben werden, für die mathematisch-naturwissenschaftlichen seit 1886. Unter dem Einfluss von Bildungspolitik und wissenschaftlichen Entwicklungen in Pädagogik und Didaktik haben Ausbildung und Abschluss am höheren Lehramt verschiedene Wandlungen durchlaufen. Die Zunahme der Studierendenzahl hat das Lehramt ebenso geprägt wie die Änderungen in der institutionellen Anbindung.

Institutionengeschichte

Seit 1861 konnte an der Universität Zürich das Diplom für das höhere Lehramt erworben werden. Didaktikkurse für Lehramtsstudierende der Philosophischen Fakultät I und II wurden 1918 institutionalisiert, nach ein paar Jahren provisorischer Durchführung. Nach der Verabschiedung der Reglemente musste das Lehrangebot für die Lehramtsstudierenden an der Universität Zürich zuerst systematisch aufgebaut werden (vgl. dazu die Artikel „Das Verhältnis von Philosophie, Pädagogik und Psychologie im ausgehenden 19. Jahrhundert“ und „Anfänge der Fachdidaktik“). Eine mit Professoren besetzte und vom Erziehungsrat eingesetzte Diplomprüfungskommission überwachte die Prüfungen (Criblez 2011; Jahresberichte der Universität Zürich 1918–1934; UAZ BH.1 Sammlung von Erlassen, Reglement über die Diplomprüfung 1861).

Den ersten Lehrstuhl für allgemeine Didaktik des Mittelschulunterrichts in der Schweiz richtete die Universität Zürich 1929 ein: Max Zollinger wurde ausserordentlicher Professor (Universität Zürich 1919; Woodtli 1983). Nach „harten Auseinandersetzungen“ (Woodtli 1983, S. 653) zwischen den Fakultäten und dem Erziehungsrat trat am 30. November 1954 ein neues Reglement über die Diplomprüfung für das höhere Lehramt in Kraft. Die Diplomprüfung wurde neu zum Staatsexamen, die Durchführung oblag einer vom Erziehungsrat ernannten Diplomkommission. Etwa gleichzeitig richtete die ETH Zürich einen eigenen Lehrstuhl für allgemeine Didaktik des Mittelschulunterrichts ein; die Ausbildungsgänge an den zwei Hochschulen verliefen für rund 50 Jahre getrennt. Die Lehrpersonen für die gestalterischen Fächer wurden an der Kunsthochschule ebenfalls unabhängig ausgebildet. In den 1960er-Jahren wurde am Pädagogischen Institut die Abteilung Höheres Lehramt gegründet mit Sekretariat, eigener Bibliothek und Dokumentationsstelle. In Zusammenarbeit mit der Diplomprüfungskommission erfolgte ein Ausbau der didaktisch-praktischen Ausbildung: Die fachdidaktischen Kurse beinhalteten nun auch Praxisübungen bei Übungslehrpersonen, die Lehramtskandidierenden absolvierten ein Unterrichtspraktikum, und es gab eine Arbeitstagung für alle Mittelschullehrpersonen, die in der Ausbildung tätig waren (Woodtli 1983). Die Abteilung Höheres Lehramt wurde 1986 durch den Regierungsratsbeschluss vom 18. Juni 1986 aus dem Pädagogischen Institut ausgegliedert und direkt der Philosophischen Fakultät unterstellt.

Die Verfügung des Erziehungsrates, dass im Kanton Zürich nur Diplominhaber/-innen ins Lehramt gewählt werden dürfen, führte in den 1970er-Jahren zu einer deutlichen Zunahme der Studierendenzahlen. 1979 wurde als Reaktion darauf ein zweiter Lehrstuhl eingerichtet und mit Heinrich Keller besetzt (Woodtli 1983). Die Lehrstühle waren fortan disziplinär getrennt, vorerst mit einem mathematisch-naturwissenschaftlichen und einem philologisch-historischen Profil. Die Einflussnahme der Politik auf die Ausbildung am höheren Lehramt zeigte sich auch an anderer Stelle: Der Erziehungsrat beauftragte 1975 eine Studienkommission mit der Neugestaltung der Ausbildung auf Mittelschulstufe. 1977 wurde eine kantonsrätliche Motion für die gemeinsame pädagogische Grundbildung für Mittel- und Volksschullehrpersonen eingereicht (Woodtli 1983).

Die Zusammenarbeit zwischen der Pädagogischen Hochschule Zürich, der Universität und anderen Hochschulen in der Ausbildung der Lehrpersonen der Mittel- und Berufsschulen wurde schliesslich im Gesetz über die Pädagogische Hochschule von 1999 rechtlich verankert. Bis dahin hatte die Universität die pädagogisch-didaktische Ausbildung der Mittelschullehrpersonen selbst übernommen und die allgemeinbildenden Berufsschullehrpersonen waren im Studiengang Höheres Lehramt für Berufsschulen ausgebildet worden. Dieses war von der Volkswirtschaftsdirektion geschaffen worden und hatte über ein eigenes Reglement verfügt. 1999 wurde an der Universität Zürich ein dritter Lehrstuhl für Mittelschulpädagogik geschaffen, mit dem Profil „Wirtschaft und Recht“ (Amt für Berufsbildung des Kantons Zürich 1994; Landolt 2007).

Am 3. Oktober 2002 unterzeichneten die Rektoren der Pädagogischen Hochschule, der Universität und der ETH Zürich einen Vertrag zur Zusammenarbeit und zur Gründung des Zürcher Hochschulinstituts für Schulpädagogik und Fachdidaktik (ZHSF). Dessen Hauptaufgabe bestand in der Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen der Sekundarstufe II. Am 11. November 2005 fand die Eröffnung des ZHSF statt. Im Jahre 2003 wurde die Abteilung Höheres Lehramt Mittelschulen durch die Übertragung des Budgetanteils der Bildungsdirektion (80 Prozent) auf die Universität zum voll in die Universität integrierten Institut an der Philosophischen Fakultät. 2004 konnte ein vierter Lehrstuhl mit der Denomination Berufsbildung geschaffen werden. Wegen der damit verbundenen Ausdehnung der Forschung und Lehre auf die Berufsbildung erfolgte zudem im Jahre 2006 die Umbenennung des Instituts von Höheres Lehramt Mittelschulen (HLM) in Institut fpr Gymnasial- und Berufsbildung (IGB). Die neuen Studiengänge für Mittelschullehrpersonen mit dem Abschluss Master of Advanced Studies in Secondary and Higher Education (MAS SHE) begannen im Herbst 2006. Nachdem die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektorinnen und ‑direktoren (EDK) diesen Abschluss nicht anerkannte, wurde der Studiengang per 1. Februar 2010 nochmals neu gestaltet. Das neue Lehrdiplom für Maturitätsschulen ersetzte den MAS SHE (Jahresberichte der Universität Zürich 2002, 2004, 2005, 2011; Landolt 2007; Werner 2010).

2011 nahm der neu geschaffene „Beirat für Fragen der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen für Maturitätsschulen“ (LLBM) die Arbeit auf. Er besteht aus Vertreterinnen und Vertretern von Fakultäten, Universitätsleitung, Bildungsdirektion, Schulleiterkonferenz und Lehrpersonenkonferenz und berät die Universität Zürich in Fragen der Lehrerinnen- und Lehrerbildung für Maturitätsschulen. Im Februar 2012 erfolgte die Zusammenführung des Instituts für Erziehungswissenschaft mit dem Institut für Gymnasial- und Berufspädagogik und die Schaffung der neuen Abteilung Lehrerinnen- und Lehrerbildung Maturitätsschulen (LLBM). Hauptziel war die engere Verzahnung von theoretischen und unterrichtspraktischen Aspekten. 2014 erfolgten mit der Einführung des Doktorats Fachdidaktik und der Besetzung einer neu geschaffenen Professur für Didaktik der Naturwissenschaften und der Nachhaltigkeit Schritte in diese Richtung. Auch ausseruniversitäre Kooperationen stärken diese Verzahnung: 2016 wurde beispielsweise der praktische Teil der Diplomausbildung in Zusammenarbeit mit dem Mittelschul- und Berufsbildungsamt und Praxisvertreter/-innen neu geregelt (Jahresberichte der Universität Zürich 2010, 2011, 2012, 2014, 2016; Universität Zürich 2018).

Personen und Lehrstühle

Die Lehrstühle, die an der Universität Zürich für die Ausbildung der Mittelschullehrpersonen zuständig waren und sind
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Die Lehrstühle, die an der Universität Zürich für die Ausbildung der Mittelschullehrpersonen zuständig waren und sind (Jahresberichte der Universität Zürich 1929–2016).

Studierendenzahlen

1921 liest sich im Jahresbericht der Universität: „Lehramtsaufträge für Didaktikkurse für Kandidaten des höheren Lehramtes werden nur noch erteilt, wenn sich mindestens fünf Teilnehmer melden, wovon drei immatrikulierte Studenten sein müssen“ (Jahresbericht der Universität Zürich 1921, S. 26). Im Rekordjahr 2011 – mit Auslaufen der Übergangsfrist des alten Studienreglements vor dem MAS SHE ­– schlossen an der Universität Zürich 346 Studierende mit dem Diplom für das höhere Lehramt ab (Jahresbericht der Universität Zürich 2011).

1921 liest sich im Jahresbericht der Universität: „Lehramtsaufträge für Didaktikkurse für Kandidaten des höheren Lehramtes werden nur noch erteilt, wenn sich mindestens fünf Teilnehmer melden, wovon drei immatrikulierte Studenten sein müssen“ (Jahresbericht der Universität Zürich 1921, S. 26). Im Rekordjahr 2011 – mit Auslaufen der Übergangsfrist des alten Studienreglements vor dem MAS SHE ¬– schlossen an der Universität Zürich 346 Studierende mit dem Diplom für das höhere Lehramt ab (Jahresbericht der Universität Zürich 2011).
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Abschlüsse höheres Lehramt / MAS SHE / Lehrdiplom für Maturitätsschulen an der Universität Zürich von 1924 bis 2016. Vor 1924 weisen die Jahresberichte der Universität die Lehramtsabschlüsse nicht aus. Ab 2006 werden alle Lehramtsabschlüsse der Philosophischen Fakultät zugeordnet (Jahresberichte der Universität Zürich 1924–2016).

Quellen und Literatur

Amt für Berufsbildung des Kantons Zürich, Abteilung Berufspädagogik. (1994). 10 Jahre Höheres Lehramt für allgemeinbildende Berufsschullehrer an der Universität Zürich. Zürich: Abteilung Berufspädagogik.

Criblez, L. (2011). Eine Disziplin für unterschiedliche Professionsansprüche (1857–1949). In R. Hofstetter & B. Schneuwly (Hrsg.), Zur Geschichte der Erziehungswissenschaften in der Schweiz. Vom Ende des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts (S. 49–68). Bern: Hep.

Landolt, H. (2007). Die Entwicklung der Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerbildung in den letzten dreissig Jahren im Überblick. In W. Bircher, S. Larcher Klee, M. Schmid, P. Sieber (Hrsg.), Der Weg zu Pädagogischen Hochschule Zürich. Würdigungsschrift zum Rücktritt von Prof. Dr. Walter Furrer. Zürich: Verlag Pestalozzianum.

Lussi Borer, V. & Criblez, L. (2011). Die Formierung der Erziehungswissenschaften und die akademische Lehrerinnen- und Lehrerbildung. In R. Hofstetter & B. Schneuwly (Hrsg.), Zur Geschichte der Erziehungswissenschaften in der Schweiz. Vom Ende des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts (S. 237–269). Bern: Hep.

Universität Zürich. (1924–2016). Jahresberichte der Universität Zürich 1923/24–2016. Zürich.

Universität Zürich 2018: Beirat Lehrerinnen- und Lehrerbildung Maturitätsschulen (LLBM). Zugriff am 16.2.2018 unter http://www.gsw.uzh.ch/de/kommissionen/beiratllbm.html

Werner, D. (2010, 6. April). „Lehrdiplom“ statt Mastertitel. UZH News. Zugriff am 2.4. 2018 unter http://www.news.uzh.ch/de/articles/2010/lehrdiplom-statt-mastertitel.html

Woodtli, O. (1983). Lehrerbildung. In P. Stadler & Rektorat der Universität Zürich (Hrsg.), Die Universität Zürich 1933­–1983 : Festschrift zur 150-Jahr-Feier der Universität Zürich. Zürich: Universität Zürich.

Ungedruckte Quellen

UZH Archiv (UAZ)

BH.1, Sammlung von Erlassen, Reglement über die Diplomprüfung der Kandidaten des höhern Lehramtes in den philologisch-historischen Fächern 1861.

 

Autorenschaft

Judith Mathez

Zeitmarke

14.8.1861